Bünde. Bei der üngsten Jahreshauptversammlung wurde der Vorstand des Vereins „International Bünde“ einstimmig im Amt bestätigt. Dem Verein, der sich seit Jahren kontinuierlich um Migranten und Flüchtlinge in Bünde kümmert, steht weiterhin Ulrich Papke als Vorsitzender vor. Sein Stellvertreter ist wie bisher Sevket Gözlükaya. Die Kassengeschäfte werden von Liesel Englisch getätigt. Schriftführer bleibt Winfried Keller. Drei Beisitzer ergänzen das Vorstandsteam. Während Ali Bozkurt schon auf eine längere Amtszeit in dieser Funktion zurückblicken kann, sind Dieter Hahn und der Syrer Aram Hame neu mit dieser Aufgabe beauftragt. Zu Kassenprüferinnen wurden Ute Fröhlich und Sigi Greenall gewählt.
Die Corona-Pandemie schränkte die Arbeit des Vereins deutlich ein, sie kam aber nicht völlig zum Erliegen. Ein Schwerpunkt waren Deutschkurse und Nachhilfeunterricht. Hierfür investierte der Verein in den Jahren 2020/21 rund 11.200 Euro aus Spenden und Eigenmitteln. Wenn sich die Corona-Bedingungen wieder normalisieren, will der Verein einen dritten syrischen Kulturabend anbieten.

 

Für das Maikomitee bleibt das Gedenken an die Pogromnacht Aufforderung zur Wachsamkeit

Von Ralf Bittner
Bünde
. Gut 50 Menschen erinnerten am Abend des 9. Novembers am Mahnmal auf dem alten jüdischen Friedhof an die Pogromnacht von 1938 und die in den folgenden Jahren ermordeten Bünder Jüdinnen und Juden. Auf das Verlesen der Namen der Ermordeten folgte ein kritischer Blick auf die Gegenwart verbunden mit dem Aufruf: „Erinnern heißt handeln!“ 

Eingeladen hatte das Maikomitee Bünde, ein Zusammenschluss von Deutschen Gewerkschaftsbund, Alevitischer Gemeinde, Verein International, Villa Kunterbunt und Initiative 9. November. Den programmatischen Redebeitrag hielt eine Vertreterin der Initiative 9. November. Die Gruppe hatte wegen Corona auf ihre Veranstaltungsreihe zu dem Datum verzichtet, nahm aber die historischen Ereignisse zum Anlass, einen Blick auf die Gegenwart zu werfen. 

Es ist nicht vorbei – das ist die erste Erkenntnis, die uns jeden Tag begleiten sollte“, sagte die Rednerin. In den vergangenen Jahren habe sich deutlich gezeigt, dass „Antisemitismus und die Relativierung der NS-Diktatur keine Randerscheinungen“ in der Gesellschaft seien. Für das Jahr 2020 führte der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus 1.909 gemeldete antisemitische Vorfälle auf. „Der Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 zeige in aller Brutalität, „wie in unmittelbar die Gefahr antisemitischer Gewalt ist“, fuhr sie fort. 

Die verschwörungsideologischen Erzählungen im Kontext der Corona-Pandemie oder Polizistinnen, die auf dem Berliner Shoah-Mahmal Liegestütze machen, seien einige Beispiele von vielen dafür, wie verbreitet antisemitische und NS-relativierende Positionen in der Gesellschaft seien. Auch die von „Rassismus und Nützlichkeitserwägungen“ geprägte Abschottungspolitik an den EU-Außengrenzen zeige: „Es ist nicht vorbei“. Denn „wer das Sterben an den Grenzen der EU und auf dem Mittelmeer toleriere, mache sich mitschuldig“. Der Rechtfertigung des Auftretens rechtsextremer Verlage auf der Frankfurter Buchmesse als Teil eines „offenes Diskurses“ setzte die Sprecherin entgegen: „Kein Fußbreit des Faschisten“ – und das gelte überall und zu jeder Zeit.

 

Ein Gemeinschaftsantrag von SPD, Grünen und Linken zur Aufnahme von jugendlichen und unbegleiteten Flüchtlingen aus griechischen Auffanglagern wurde jetzt erneut leidenschaftlich diskutiert.

Von Gerald Dunkel

Bünde. Bereits im Frühjahr diskutierten die Mitglieder des Bünder Stadtrats teils heftig um einen gemeinschaftlichen Antrag von SPD, Grünen und Linke, nach dem die Stadt dem Bündnis „Städte sichere Häfen“ beitreten soll. Damals scheiterte der Antrag, weil auch Mitglieder der Antragsteller sowie die Bürgermeisterin das Thema zunächst in Fachausschüssen beraten wollten. In einem erneuten Versuch fiel der Beschluss dazu – wenn auch nur mit recht knapper Mehrheit. 

Bei dem Bündnis „Städte sichere Häfen“ geht es konkret darum, Flüchtlinge aus griechischen Auffanglagern aufzunehmen. Ursprünglich war dieses Städtebündnis dazu gedacht, ein Zeichen gegen die „Abschottungspolitik Europas zu setzen“. Ferner sollten Mittelmeerstaaten wie Italien und Griechenland die Aufnahme von in Seenot geratenen Flüchtlingen zusichern. 

Flüchtlingsaufnahme über die Zuweisungsquote hinaus 

In dem Antrag fordern die drei Fraktionen neben dem Beitritt der Stadt Bünde zu dem Bündnis ferner die Aufnahme von bis zu zehn minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen über die Zuweisungsquote hinaus. Darüber hinaus die Prüfung, inwieweit die zusätzliche Aufnahme von weiteren hilfsbedürftigen Personen aus den griechischen Auffanglagern möglich ist. Die letzten beiden der fünf Punkte sind mit Forderungen an die Bundesregierung verbunden. 

Ganz so lang wie im April dauerte die Debatte jetzt zwar nicht, sie zeigte aber, wie gegensätzlich die Meinungen sind. Schon im Frühjahr gab Oliver Uhlich (CDU) zu bedenken, dass es sich bei den unbegleiteten Flüchtlingen um traumatisierte junge Männer handele, die wesentlich mehr als nur eine Bleibe benötigen würden. Uhlich, der von Beruf Traumapädagoge ist, sagte: „Da kommen keine sechsjährigen Mädchen mit großen Kulleraugen.“ 

Uhlich machte schon in der ersten Debatte deutlich, dass die Einrichtungen, die traumatisierte Jugendliche nötig hätten, hierzulande bereits am Limit laufen würden. „Es gibt keine Therapieplätze und die Stadt Bünde besitzt die entsprechenden Einrichtungen auch nicht“, so der CDU-Ratsherr. Allerdings habe sich die Jugendhilfe Schweicheln bereiterklärt, eine Einrichtung zu schaffen. „Das wird aber noch eineinhalb bis zwei Jahre dauern“, so Uhlich. 

Hauptamtliche Politiker auf Fehler hinweisen“ 

Norbert Darnauer (UWG) schloss sich Oliver Uhlich an und machte sein Votum von Uhlichs Expertise abhängig. Ferner sieht Darnauer vor allem die Kosten: „Wir sprechen hier von Kosten in Höhe von 700.000 Euro. Ich erwarte von den Antragstellern, dass sie die entsprechenden Anträge stellen, um diese Summen in den kommenden Haushalt einzustellen. Es nützt nichts, Absichtserklärungen zu bekunden, sondern wir müssen diesen Beschluss dann auch umsetzen.“ 

Christian Rüter (SPD) sagte dazu, dass es vor allem darum gehe, Verantwortung für diese Menschen zu übernehmen. „Sollte es um Zahlen gehen, werden sich diese drei antragstellenden Fraktionen auch damit beschäftigten“, so Rüter. In Fachausschüssen sei dieses Thema diskutiert worden. „Im Jugendhilfeausschuss ist aber auch klar geworden, dass es kein Problem ist, entsprechende Einrichtungen zur Verfügung zu stellen“, sagte Rüter in Richtung Oliver Uhlich und ergänzte: „Es war allerdings keine Rede davon, dass es eineinhalb bis zwei Jahre dauern könnte.“ 

Ein "Antrag zum guten Gewissen" 

Für Martin Schuster (CDU) ist die Forderung der drei Antragsteller ein „Antrag zum guten Gewissen“. Letztlich hätte es eine Kommune selbst nicht in den Händen, wie viele unbegleitete Flüchtlinge sie zugewiesen bekomme. „Verantwortung kann man übernehmen, wenn man etwas auch selbst entscheiden kann“, so Schuster. In anderen Kommunen hätten die Räte zwar entschieden, dem Bündnis beizutreten und auch Flüchtlinge aufzunehmen, allerdings nicht, auch weitere Kosten zu übernehmen. 

Stefanie Janßen-Rickmann sei „vor Wut kurz vor dem Platzen“, wie sie sagte. 267 Städte seien diesem Bündnis beigetreten und die Bundesregierung will keine Verantwortung übernehmen. „Wer, wenn nicht wir, soll dann diese Verantwortung übernehmen? Wenn wir nicht als Kommunalpolitiker etwas tun und unsere hauptamtlichen Politiker auf ihre Fehler hinweisen, dann weiß ich nicht, wer das tun soll und wer dafür verantwortlich ist.“ 

Bei der Ratssitzung waren 41 der 48 Bünder Ratsmitglieder anwesend. Der Antrag von SPD, Grünen und Linken wurde mit 22 Ja-Stimmen gegen 17 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen mehrheitlich beschlossen.

 

 

Bünde (WB) „Ideen werden Wirklichkeit – 100 Förderpakete für Vereine in der Region“ ist das Motto, unter dem „Westfalen Weser Energie“ zum dreizehnten Mal seinen Wettbewerb ausgeschrieben hat, bei dem innovative Projektideen mit Vorbildcharakter prämiert wurden. Eines der 100 Förderpakete, die das kommunale Unternehmen 2021 an Initiativen und Institutionen für die Umsetzung eines nachahmenswerten Projektes vergab, ging an den Verein International in Bünde. Dessen Sprachkurs zur Auffrischung von Deutschkenntnissen wurde mit 600 Euro von Westfalen-Weser prämiert. „Wir freuen uns sehr“, so Vorsitzender Ulrich Papke, „dass unser Einsatz damit auch finanziell anerkannt wird.“ Seit Beginn der Flüchtlingszuwanderung nach Deutschland bietet der Verein Sprachkurse für Migranten an. Doch Corona unterband den Unterricht in Präsenzform. Inzwischen ist er unter Beachtung der Schutzmaßnahmen aber wieder aufgenommen worden.


 

Seit fünf Jahren setzt Ilknur Güler im Löhner Migrationsbüro Integration um. Nun will sie mitgestalten, wie das Thema angepackt wird. Ihre Familie hat sich schon immer engagiert, unter anderem beim Verein International

Von Judith Gladow
Löhne/Bünde
. Seit fünf Jahren berät und betreut Ilknur Güler im Migrationsbüro der Stadt Löhne die Neuankömmlinge in der Werrestadt. Von Flüchtlingskrise bis Corona hat sie herausfordernde Zeiten in der Integrationsarbeit miterlebt. Nun verlässt die 40-Jährige ihren Job in Löhne und geht zum Kreis Herford, wo sie ab Januar mitgestalten will, wie Integrationsarbeit gemacht wird. Ihre Perspektive auf das Thema ist geprägt von den Erfahrungen der vergangenen Jahre in Löhne, aber auch von ihrem eigenen „kulturellen Background“, wie sie sagt. „Das bringt durchaus Vorteile mit sich.“

Ilknur Güler ist Bünderin, Nachfahrin von Gastarbeitern, Alevitin und spricht neben deutsch zusätzlich türkisch, kurdisch, englisch und französisch. Eine wichtige Rolle in ihrer Kindheit spielte unter anderem der Bünder Verein International – ihr Onkel war dort sehr aktiv. „Ich bin wirklich mit allen Kulturen aufgewachsen“, erzählt sie. Beim Elternsprechtag oder auch bei Behördengängen für ihre eigenen Eltern zu dolmetschen, das gehörte für sie dazu. „Einige Comedians mit Migrationshintergrund haben da ja ganze Episoden in ihrem Programm. Aber das war wirklich so. Und das ist auch gar nicht schlimm.“

Auch wenn das in jugendlichem Alter nicht immer angenehm war – „den eigenen Eltern zu erklären, was man schlecht gemacht hat“ – heute blickt sie darauf aus einer anderen Perspektive. Wenn sie nun Flüchtlingsfamilien betreue, in denen die Kinder meist viel schneller sehr flüssig Deutsch können als die Eltern, ermuntere sie diese, im Zweifelsfall ebenfalls bei Ärzten, Ämtern und anderen offiziellen Stellen für ihre Eltern anzurufen. „Da gibt es oft am Anfang Berührungsängste oder die Angst, nicht ernstgenommen zu werden. Dann mache ich das mit denen ein- oder zweimal gemeinsam. Danach können die das.“ 

Die Integrationsarbeit mal zu ihrem Job zu machen, das hat Güler ursprünglich gar nicht vorgehabt. Nach dem Abitur an der Gesamtschule Bünde studierte sie Erziehungswissenschaften an der Universität Bielefeld. Sie machte eine zwischenzeitliche Pause für Heirat und Kinder, 2014 schloss sie ihr Studium mit Diplom ab. Ursprünglich war der Plan, in den Bereich Schulentwicklung und Inklusion zu gehen, sie arbeitete als Schulbegleiterin.

Schließlich war Güler auch Betreuerin bei den Internationalen Kindergruppen (Inkis) in Löhne und als 2015 viele Menschen – vor allem vor dem Bürgerkrieg in Syrien – flohen und unter anderem auch in Löhne aufgenommen wurden, engagierte sie sich ehrenamtlich in der Frauengruppe.

Und dann wurde hier diese Stelle frei.“ Im Februar 2016 fing sie bei der Stadt an. Sie beriet und betreute Asylbewerber – zunächst in Teilzeit, später in einer vollen Stelle. Sie ist eine von fünf Hauptamtlichen bei der Stadt Löhne, die sich um die Integrationsarbeit kümmern. „Löhne ist da eine sehr gut aufgestellte Kommune“, sagt sie. Das sei unter anderem auch dem ehemaligen Dezernenten Ulrich Blomenkamp zu verdanken, der 2016 in den Ruhestand gegangen ist. Er habe die Grundlage dafür geschaffen.

Bei ihrer Arbeit sei ihr wichtig, dass ihre Unterstützung nur eine Hilfe zur Selbsthilfe sei. Schließlich sollen die Menschen, die ihr gegenübersitzen, möglichst schnell Fuß fassen und auf eigenen Beinen stehen. Das sei auch in den meisten Fällen so. Schwierig sei es zumeist für die Personen, die auf der Flucht oder schon davor traumatische Erfahrungen gemacht haben. „Dem gerecht zu werden, die Distanz zu bewahren bei solchen sehr emotionalen Geschichten, das ist schon schwierig“, sagt Güler.

Die Löhner seien von Anfang an sehr engagiert gewesen – bis heute. „Es gibt hier sehr viele Ehrenamtliche.“ Auch ein Dolmetscherpool, zum Teil aus einstigen Klienten, die sie beraten hat, habe sich etabliert. All das habe dann auch während der Corona-Pandemie und durch die Lockdowns hindurch dafür gesorgt, dass der Kontakt zu den Menschen nicht verloren gegangen sei. Und auch sie selbst sei – unter den jeweils geltenden Bedingungen – für die Menschen natürlich da gewesen. „Die, die in dieser Zeit Hilfe benötigt haben, haben sie auch bekommen.“

Insgesamt hätten die Neuzuweisungen in Löhne wieder abgenommen. 2014 waren es laut Güler 147 Menschen, 2015 kamen 523 nach Löhne und 2016 noch 199. „Seit 2017 liegen wir im zweistelligen Bereich.“ Über ihre Arbeit und über die niederschwelligen Projekte wie Flüchtlingsfrauengruppe, Männerfußballgruppe oder Café Mosaik, die sie besonders schätzt, redet sie mit Enthusiasmus und Leidenschaft. Warum sie sich nun umorientiert? „Hier führe ich durch. In meiner neuen Stelle entwickle ich die Ideen“, sagt Güler. Als Koordinatorin im kommunalen Integrationsmanagement des Kreises könne sie Konzepte mit erarbeiten, die die Zukunft der Integration prägen könnten. Und wie die gelingen kann, dafür hat sie zumindest schonmal eine Grundregel: „Wir müssen den Menschen als Menschen sehen, nicht als Fall in einer Akte.“