Der bekannte Türkei-Experte und Politikwissenschaftler Burak Copur sprach in Bünde über die Frage: „Wohin treibt die Türkei?“


Bünde. „Die Aussichten auf eine Demokratisierung der Türkei sind wenig optimistisch, selbst bei einer Ablösung von Präsident Erdogan und seiner AKP-Partei bei den Wahlen am 14. Mai des Jahres.“ Das ist das Fazit eines Gastvortrags, gehalten von Burak Copur, Professor an der Internationale Hochschule Essen,in der Gaststätte Erdbrügger. Eingeladen hatte das Maikomitee Bünde den Türkeikenner und Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen zur Fragestellung „Wohin treibt die Türkei?“.

Copur bot vor rund 30 Interessierten einen detailreichen Einblick in die Lage des Landes eine Woche vor dem ersten Wahlgang. Die Inflation bewegt sich bei rund 80 Prozent. „Selbst Zwiebeln sind zurzeit ein Luxuslebensmittel“, sagte Copur. Dazu komme eine Jugendarbeitslosigkeit von 30 Prozent und die unbewältigten Folgen des Erdbebens. Hinzu komme, dass es keine unabhängige Justiz gebe. Auch sei die Türkei inzwischen zu einem Tummelplatz verschiedener internationaler Mafia-Organisationen geworden.

Die Opposition hat sich für die Parlamentswahl zu einem Bündnis bestehend aus sechs Parteien zusammengefunden. Eine gemeinsames Programm für die Lösung der größten Probleme des Landes hat der „Sechser-Tisch“ nicht. Es eint sie lediglich der Wille, die zwanzigjährige Regentschaft von Erdogan zu beenden. Copur zitierte an dieser Stelle ein Sprichwort, das gegenwärtig in der Türkei kursiert: „Es geht nicht darum, die Tore zum Himmel zu öffnen, sondern die Tore zur Hölle zu verschließen.“

Und selbst wenn die Opposition bei der Wahl des Präsidenten und des Parlaments gewinnen sollte, was von der Mehrzahl der Meinungsforschungsinstitute gegenwärtig vorausgesagt wird, wäre ein Regierungswechsel keineswegs automatisch gesichert. „Erdogan wird nicht freiwillig den Präsidentenpalast räumen“, prophezeite der Türkei-Experte.

Der Politikwissenschaftler wollte seine Zuhörer nach dieser insgesamt düsteren Perspektive aber nicht ohne Hoffnung nach Hause schicken. „Die Opposition hat am 14. Mai die Chance für einen politischen Wechsel. Ich baue da vor allem auf die Frauenbewegung, die Umweltbewegung und die Studierenden, Wissenschaftler und Intellektuellen des Landes,“ sagte Copur im Schlusswort seines Vortrags.

 

 

 

 

Bei der Nacht der Bibliotheken in der Bünder Stadtbücherei bieten Aram Hame und Hosam Alibrahim einen faszinierenden Einblick in die syrische Kultur.


Aram Hame und Hosam Alibrahim (l.) gestalten den Syrischen Abend zur Nacht der Bibliotheken unter dem Motto „grenzenlos“ in der Stadtbibliothek. Foto: Ralf Bittner

 Von Ralf Bittner

Bünde. „Alle Wege führen nach Rom, nach Bünde führt nur ein Weg der Liebe“, heißt es in einem selbst geschriebenen Gedicht Aram Hames, das er in der Stadtbibliothek vorträgt. Wahrscheinlich muss man dem Tod entkommen und als Geflüchteter oder sonst Außenstehender nach Bünde gekommen sein, um eine derart poetische Liebeserklärung an eine Stadt zu formulieren, in der „jede Elsebrücke eine Seele aus Liebe“ hat.

Der selbst geschriebene Text ist kein Gedicht im klassischen Sinne, sondern lebt von Rhythmus, arabeskenhaften Ausschmückungen, überraschenden Sprachbildern und Assoziationen. Das verbindet seinen Text mit Gedichten der kurdischen Dichter Melayê Cezîrî oder Cegerxwîn.

Cezîrî starb 1640. Cegerxwîns Familie war 1914 vor dem Kämpfen des Ersten Weltkriegs aus dem kurdischen Teil der Türkei nach Syrien geflohen. Er wurde zunächst Geistlicher, war dann in Syrien, dem Nordirak und im Libanon politisch aktiv, bevor er nach Schweden floh und dort 1984 verstarb.

Cegerxwîn hat auch viele politische Gedichte geschrieben“, sagte Hame. Für den „Syrischen Abend“ als Teil der Nacht der Bibliotheken hatte er sich aber ausschließlich Texte zum Thema „Liebe“ ausgesucht. Die trug er in Originalsprache – Kurdisch oder Arabisch – vor, einige dazu auch in eigenen Übersetzungen. 

So bekamen die Zuhörer, die der Einladung in die Bibliothek gefolgt waren, einen Eindruck von einem Lyrikverständnis, bei dem Sprachmelodie und Inhalt eine dicht miteinander verwobene, fast musikalisch anmutende Einheit bilden. Passend dazu gestaltete Hame den Abend gemeinsam mit dem Oud-Spieler und Sänger Hosam Alibrahim.

Alibrahim war 2015 vor dem syrischen Bürgerkrieg geflohen und lebt inzwischen in Bünde. Im Wechsel mit Hames Vortrag nahm er die Zuhörer mit in die faszinierend-kontrastreichen Klangwelten arabischer, syrischer und kurdischer Musik, die heute zugleich fremd und vertraut erscheint.

Hame gehört als Beisitzer zum Vorstand des Vereins International, der den Syrischen Abend als Teil der „Nacht der Bibliotheken“ in Kooperation mit der Bücherei organisiert hatte. „Der syrische Abend passte wunderbar zu ‚grenzenlos‘, dem landesweiten Motto der Aktion“, sagt Bibliotheksleiterin Ina Reßler, die mit ihrem Team bereits ab 17 Uhr mit Medienflohmarkt, Mini-Bücher basteln oder dem Programmieren von Robotern ein vielfältiges Programm geboten hatte.

Als weiterer Kooperationspartner zeigte Dominic Kostroß von „Me Vivo“ Kräftigungsübungen für Schultern, Rücken und Nacken, also speziell für Menschen, die viel Zeit am Computer oder lesend verbringen.

Mit dem Besucherzuspruch ist Reßler zufrieden: „Es waren sogar Besucher da, die noch keine Bibliotheksnutzer sind.“

 

 

 

 

 

Bünde. Die Alevitengemeinde Bünde informiert mit Unterstützung der anderen Mitglieder des Maikomitee Bünde (Deutscher Gewerkschaftsbund Bünde, Initiative 9. November, Verein International und Villa Kunterbunt) über die Erdbebenkatastrophe in der Türkei und in Syrien.
Am Samstag, 18. Februar, werden von 9 bis 16 Uhr auf dem Tönnies-Wellensiek-Platz an der Eschstraße an einem Infostand Kaffee, Tee und Kuchen sowie andere kleine Essbarkeiten angeboten, dafür werden Spenden für die vom Erdbeben betroffenen Menschen entgegengenommen.
„Da in der Alevitengemeinde gute Kenntnisse über das ehemalige Heimatland vorhanden sind, können Interessierte dort erfahren, wie und wo geholfen werden kann“, heißt es in der Pressemitteilung abschließend.

 

Bis 2024 kann der Verein noch das Bonhoeffer-Haus nutzen, muss sich aber Gedanken für die „Zeit danach“ machen. Eine Idee wurde im Sozialausschuss schon genannt.

Von Gerald Dunkel

Bünde. Dass der Verein International eine wichtige Arbeit zur Integration von Geflüchteten leistet, kann und will niemand bestreiten. Allerdings braucht er für seine Sprachkurse, die Fahrradwerkstatt und die weiteren Integrationshilfen Platz, den ihm bislang das Bonhoeffer-Haus an der Wehmstraße ausreichend bot. Doch wie mehrfach berichtet, soll das Gebäude der Lydia-Kirchengemeinde abgerissen werden. Es sei energetisch nicht mehr tragbar und auch die Raumaufteilung schränke die Nutzungsmöglichkeiten stark ein, heißt es schon seit Jahren von den Verantwortlichen. Nach einem Beschluss im Ausschuss für Soziales und Integration steht einer weiteren Nutzung zumindest für das laufende Jahr nichts im Wege. Doch für 2024 kündigen sich die Abrissbagger an. 

Wie Ulf Dreier (SPD) in der Ausschusssitzung erklärte, habe die Kirchengemeinde wohl erklärt, dass das Bonhoeffer-Haus in 2023 noch nicht abgerissen werden soll. Grund seien Architektenverträge und Termine für die Vorlage von Entwürfen für den Neubau, die noch etwas auf sich warten lassen. Deshalb sei laut Dreier wohl auch die Kirche froh, „wenn der Verein International weiterhin Nutzer wäre, da sich derzeit einerseits viele Gruppen treffen und das Gebäude als Leerstand Ziel von Vandalismus werden könnte“. Dreier sprach in dem Zusammenhang von einer „Win-Win-Situation“.

Vonseiten der SPD, so Ulf Dreier, würde man dem Antrag des Vereins International auf finanzielle Unterstützung seiner Arbeit in Höhe von 9.200 Euro für 2023 und einer Übernahme der Nebenkosten im Rahmen der weiteren Nutzung des Bonhoeffer-Hauses zustimmen. Dreier schränkte aber zugleich ein, dass man dieser Unterstützung im Zusammenhang mit dem Bonhoeffer-Haus „letztmalig zustimmt“.

Ab 2024 muss es eine neue Möglichkeit geben“, so Dreier, der als Beispiel dafür die aktuell noch als „Altentagesstätte“ bezeichnete Begegnungseinrichtung an der Klinkstraße nannte. Dort könnte der Verein Kellerräume für die Fahrräder nutzen und im oberen Bereich Sprachkurse veranstalten. 

Auch Georg Kruthoff (CDU) schloss sich Dreier an und sagte: „Wir folgen diesem Gedankengang. Wir haben jetzt noch eineinhalb Jahre Zeit, bis das Damokles-Schwert ,Abriss’ zuschlägt. Man muss sich aber vorher Gedanken machen, wo wir mit dem Verein International hinwollen.“ Dem schlossen sich auch Eyüp Odabasi (Grüne) und Mareike Liebig (Die Linke) an. Im Beschluss hielt das Fachgremium fest, dass die Stadt die finanzielle Unterstützung von 9.200 Euro leisten soll und dass in der Herbsitzung des Ausschusses ein konkreter Zeitpunkt für ein Ende der Nutzung des Bonhoeffer-Hauses genannt werden soll, weil dann womöglich klarer erkennbar sei, wann der Abriss terminlich ansteht. Der Entscheidung schlossen sich 16 Ausschussmitglieder an. Sven Schäffer (FDP) enthielt sich. 

Dem Verein International wurden zuvor von der Stadt Räume in der ehemaligen Britensiedlung in Hunnebrock angeboten, was im Verein jedoch auf wenig Gegenliebe stieß. Vom Verein wurde zunächst die „geografische Randlage abseits des Stadtzentrums in Hunnebrock“ kritisiert. „Wenn man Integrationsarbeit ernst meint, dann gehören Geflüchtete zum Stadtbild dazu“, hieß es in einer Stellungnahme des Vereins International. Und weiter: „Eine Verdrängung manchmal problematischer Personengruppen in Randlagen fördert Gettobildung und Parallelgesellschaften und steht im Widerspruch zur öffentlich propagierten Willkommenskultur.“

Ferner seien im angebotenen „Medical Center“ Raumgrößen nicht passend. Eine Fahrradwerkstatt könne dort nicht eingerichtet werden und auch die Sprachkurse seien nur mit großen Einschränkungen möglich. Das sah Sozialamtsleiter Stefan Bohnhorst im November anders. Aus seiner Sicht sei im „Medical Centre“ alles „möglich, was der Verein braucht.“ Auch eine Fahrradwerkstatt ließe sich in der Nähe realisieren. „Im Stadtgebiet gibt es 100 Garagen, die zu den Bima-Unterkünften gehören“, sagt Bohnhorst. Diese seien fast alle leer. „Da ließen sich Fahrräder deponieren“, teilt er weiter mit. 

Für Sprachkurse verweist er auf das Stadtteilbüro, das sich in direkter Nähe zum „Medical Centre“ befindet. „Auch dort gibt es einen Raum, wo man zwölf Menschen beschulen könnte“, sagt er. Zudem wären auch Sprachkurse im Welcome-Center an der Behringstraße möglich. „Man könnte Sprachkurse dort anbieten, wo die Flüchtlinge wohnen“, sagt er.

Fest steht, dass Verein, Politik und Stadtverwaltung nun erst einmal ein paar Monate Zeit gewonnen haben, sich erneut auf die Suche nach einer neuen Bleibe zu machen, bevor wahrscheinlich im kommenden Jahr die Bagger an der Wehmstraße anrücken.

 

 

 

 

Von Florian Weyand

Bünde. Seit Jahren wird über die künftige Nutzung des Areals rund um das Dietrich-Bonhoeffer-Haus in der Bünder Innenstadt diskutiert. Nachgedacht wird über einen Abriss des markanten Backsteingebäudes, das nicht mehr den heutigen energetischen Ansprüchen entspricht. Doch wie soll das Bonhoeffer-Haus ersetzt werden? Über die Pläne wollte die Gemeinde gemeinsam mit der Verwaltung bereits im Herbst dieses Jahres informieren. Doch dieses Vorhaben wurde verworfen. „Die Sache verzögert sich weiter. Wie es bei diesen Projekten oft ist, dauern die Prozesse länger als gewünscht“, sagt Pfarrer Sieghard Flömer. Doch schon bald könnte eine Entscheidung fallen, wie jetzt aus dem Rathaus zu hören ist. 

Bereits 2018 stellte die Kirchengemeinde einige Überlegungen zur künftigen Nutzung öffentlich vor. Geplant waren vor etwa vier Jahren der Abriss des Bonhoeffer-Hauses und der anschließende Neubau von zwei Gebäuden an gleicher Stelle. Das eine Gebäude soll dabei als Investitionsobjekt und auf Erbpacht-Basis Einnahmen für die Gemeinde generieren. Damit sollen das Haus selbst und auch das zweite Gebäude – das als reguläres Gemeindehaus genutzt werden soll – finanziert werden. 

Gemunkelt wird seitdem auch immer wieder, dass die Stadtbücherei, die sich derzeit an der Eschstraße befindet, in das neue Gebäude einziehen soll. Diese Idee hatte unter anderem die CDU im Juli 2020 ins Spiel gebracht. „Für uns gehört die Stadtbücherei in die Innenstadt. Mir schwebt langfristig vor, gemeinsam mit der Kirchengemeinde im Bereich des heutigen Bonhoeffer-Hauses themenverwandte Einrichtungen unterzubringen“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Martin Schuster vor mehr als zwei Jahren. In direkter Nachbarschaft zur Laurentiuskirche könne damit ein echter Frequenzbringer in der Bünder Innenstadt entstehen, teilte der Christdemokrat weiter mit. 

Die Stadt Bünde ist bei den Planungen für die künftige Nutzung jedenfalls mit im Spiel. Das bestätigt Stadtsprecherin Doris Greiner-Rietz auf Anfrage der Neuen Westfälischen. „Es gibt Pläne und langfristige Gespräche zwischen der Gemeinde und der Verwaltung“, sagt sie. Für Mitte Januar sei ein weiteres gemeinsames Treffen angesetzt. Darin sei auch die neue Technische Beigeordnete involviert. Anschließend wolle man gemeinsam an die Öffentlichkeit gehen, erklärt Greiner-Rietz. Das könnte schon Ende Januar passieren. 

Zuletzt ist das Bonhoeffer-Haus unter anderem noch von den „Neuen Alten“ und auch dem Verein International genutzt worden. Das ist im neuen Jahr nicht mehr möglich. Von Januar bis März 2023 wird das Gebäude erst einmal geschlossen – um Energie zu sparen. Veranstaltungen der Gemeinde sollen in dieser Zeit ausschließlich in der Arche Noah und im Volkeninghaus in Südlengern-Dorf stattfinden. Das hatte die Lydia-Gemeinde bereits Ende Oktober angekündigt. Nach der Maßnahme werden die „Neuen Alten“ wohl nicht mehr in das Bonhoeffer-Haus zurückkehren. Die Senioren treffen sich für ihre Veranstaltungen, zu denen auch Vorträge gehören, künftig in der Altentagesstätte an der Klinkstraße. 

Und auch die Zukunft des Vereins International ist ungewiss. Dieser bot im Bonhoeffer-Haus Sprachkurse an, leistete Integrationsarbeit und betrieb auch eine Fahrradwerkstatt. Doch neue Verträge zur Nutzung des Bonhoeffer-Hauses möchte die Lydia-Gemeinde erst einmal nicht mehr eingehen. „Wir können dem Verein International keine Zusagen geben, weil wir nicht wissen, wann vielleicht schon ein Teil des Gebäudes abgerissen wird“, sagt Flömer. Damit möchte man Irritationen vermeiden. „Wir wollen den Leuten ja auch eine gewisse Planungssicherheit geben“, sagt er. Aktuell könne man nicht zusagen, dass das Bonhoeffer-Haus im Jahr 2023 zu nutzen sei. Daher wolle man als Gemeinde lieber keine Verträge mehr abschließen. 

Ganz ohne Gebäude steht der Verein International aber nicht da. Die Verwaltung hat einen Umzug in das ehemalige britische „Medical Centre“ an der Kleiststraße in Hunnebrock vorgeschlagen. Doch von der Idee sind die Verantwortlichen des Vereins nicht begeistert. Einige Angebote, die im Bonhoeffer-Haus möglich sind, seien in der neuen Einrichtung nach Meinung des Vereins International nicht durchführbar. Zudem wird die Randlage in Hunnebrock kritisiert. Das fördere „Gettobildung und Parallelgesellschaften und steht im Widerspruch zur öffentlich propagierten Willkommenskultur“, teilte der Verein zuletzt mit.