Bünderin ist neue Integrationsexpertin beim Kreis Herford, NW 13.10.2021

Seit fünf Jahren setzt Ilknur Güler im Löhner Migrationsbüro Integration um. Nun will sie mitgestalten, wie das Thema angepackt wird. Ihre Familie hat sich schon immer engagiert, unter anderem beim Verein International

Von Judith Gladow
Löhne/Bünde
. Seit fünf Jahren berät und betreut Ilknur Güler im Migrationsbüro der Stadt Löhne die Neuankömmlinge in der Werrestadt. Von Flüchtlingskrise bis Corona hat sie herausfordernde Zeiten in der Integrationsarbeit miterlebt. Nun verlässt die 40-Jährige ihren Job in Löhne und geht zum Kreis Herford, wo sie ab Januar mitgestalten will, wie Integrationsarbeit gemacht wird. Ihre Perspektive auf das Thema ist geprägt von den Erfahrungen der vergangenen Jahre in Löhne, aber auch von ihrem eigenen „kulturellen Background“, wie sie sagt. „Das bringt durchaus Vorteile mit sich.“

Ilknur Güler ist Bünderin, Nachfahrin von Gastarbeitern, Alevitin und spricht neben deutsch zusätzlich türkisch, kurdisch, englisch und französisch. Eine wichtige Rolle in ihrer Kindheit spielte unter anderem der Bünder Verein International – ihr Onkel war dort sehr aktiv. „Ich bin wirklich mit allen Kulturen aufgewachsen“, erzählt sie. Beim Elternsprechtag oder auch bei Behördengängen für ihre eigenen Eltern zu dolmetschen, das gehörte für sie dazu. „Einige Comedians mit Migrationshintergrund haben da ja ganze Episoden in ihrem Programm. Aber das war wirklich so. Und das ist auch gar nicht schlimm.“

Auch wenn das in jugendlichem Alter nicht immer angenehm war – „den eigenen Eltern zu erklären, was man schlecht gemacht hat“ – heute blickt sie darauf aus einer anderen Perspektive. Wenn sie nun Flüchtlingsfamilien betreue, in denen die Kinder meist viel schneller sehr flüssig Deutsch können als die Eltern, ermuntere sie diese, im Zweifelsfall ebenfalls bei Ärzten, Ämtern und anderen offiziellen Stellen für ihre Eltern anzurufen. „Da gibt es oft am Anfang Berührungsängste oder die Angst, nicht ernstgenommen zu werden. Dann mache ich das mit denen ein- oder zweimal gemeinsam. Danach können die das.“ 

Die Integrationsarbeit mal zu ihrem Job zu machen, das hat Güler ursprünglich gar nicht vorgehabt. Nach dem Abitur an der Gesamtschule Bünde studierte sie Erziehungswissenschaften an der Universität Bielefeld. Sie machte eine zwischenzeitliche Pause für Heirat und Kinder, 2014 schloss sie ihr Studium mit Diplom ab. Ursprünglich war der Plan, in den Bereich Schulentwicklung und Inklusion zu gehen, sie arbeitete als Schulbegleiterin.

Schließlich war Güler auch Betreuerin bei den Internationalen Kindergruppen (Inkis) in Löhne und als 2015 viele Menschen – vor allem vor dem Bürgerkrieg in Syrien – flohen und unter anderem auch in Löhne aufgenommen wurden, engagierte sie sich ehrenamtlich in der Frauengruppe.

Und dann wurde hier diese Stelle frei.“ Im Februar 2016 fing sie bei der Stadt an. Sie beriet und betreute Asylbewerber – zunächst in Teilzeit, später in einer vollen Stelle. Sie ist eine von fünf Hauptamtlichen bei der Stadt Löhne, die sich um die Integrationsarbeit kümmern. „Löhne ist da eine sehr gut aufgestellte Kommune“, sagt sie. Das sei unter anderem auch dem ehemaligen Dezernenten Ulrich Blomenkamp zu verdanken, der 2016 in den Ruhestand gegangen ist. Er habe die Grundlage dafür geschaffen.

Bei ihrer Arbeit sei ihr wichtig, dass ihre Unterstützung nur eine Hilfe zur Selbsthilfe sei. Schließlich sollen die Menschen, die ihr gegenübersitzen, möglichst schnell Fuß fassen und auf eigenen Beinen stehen. Das sei auch in den meisten Fällen so. Schwierig sei es zumeist für die Personen, die auf der Flucht oder schon davor traumatische Erfahrungen gemacht haben. „Dem gerecht zu werden, die Distanz zu bewahren bei solchen sehr emotionalen Geschichten, das ist schon schwierig“, sagt Güler.

Die Löhner seien von Anfang an sehr engagiert gewesen – bis heute. „Es gibt hier sehr viele Ehrenamtliche.“ Auch ein Dolmetscherpool, zum Teil aus einstigen Klienten, die sie beraten hat, habe sich etabliert. All das habe dann auch während der Corona-Pandemie und durch die Lockdowns hindurch dafür gesorgt, dass der Kontakt zu den Menschen nicht verloren gegangen sei. Und auch sie selbst sei – unter den jeweils geltenden Bedingungen – für die Menschen natürlich da gewesen. „Die, die in dieser Zeit Hilfe benötigt haben, haben sie auch bekommen.“

Insgesamt hätten die Neuzuweisungen in Löhne wieder abgenommen. 2014 waren es laut Güler 147 Menschen, 2015 kamen 523 nach Löhne und 2016 noch 199. „Seit 2017 liegen wir im zweistelligen Bereich.“ Über ihre Arbeit und über die niederschwelligen Projekte wie Flüchtlingsfrauengruppe, Männerfußballgruppe oder Café Mosaik, die sie besonders schätzt, redet sie mit Enthusiasmus und Leidenschaft. Warum sie sich nun umorientiert? „Hier führe ich durch. In meiner neuen Stelle entwickle ich die Ideen“, sagt Güler. Als Koordinatorin im kommunalen Integrationsmanagement des Kreises könne sie Konzepte mit erarbeiten, die die Zukunft der Integration prägen könnten. Und wie die gelingen kann, dafür hat sie zumindest schonmal eine Grundregel: „Wir müssen den Menschen als Menschen sehen, nicht als Fall in einer Akte.“