Schwarzfahrer wider Willen, NW 01.02.2018

Flüchtlingsgeschichten: Familie Fawal wollte zu Jahresbeginn mit dem Zug nach Rheine fahren. Sie kaufte sich ordnungsgemäß ein Gruppenticket - und hat jetzt trotzdem Ärger

Bünde. Zug gefahren waren sie schon häufiger. Nach Bielefeld oder auch mal ins Ruhrgebiet. Ihre Fahrausweise hatten sie jedes Mal am Automaten im Bünder Bahnhof gezogen. Nie gab?s Probleme. Für einen gemeinsamen Ausflug nach Rheine kaufte sich Familie Fawal am 4. Januar erstmals ein Gruppenticket am Schalter - und setzte sich damit ruhigen Gewissens in den Zug. Dann kam die Kontrolleurin.

Yasser Fawal, sein Sohn Ibrahim und seine Frau Ibtisam können heute noch nicht glauben, was da über sie hereingebrochen ist. Alle drei sitzen mit Post von der Polizei auf ihrem Sofa im kleinen Wohnzimmer. "Anhörungsbogen", "polizeiliche Ermittlungen", "1.000 Euro Strafe" - lauter Worte, die ihnen Sorge bereiten. Daneben sitzt Maria Bürger-de Castillo, die dieser und anderen Flüchtlingsfamilien in bürokratischen Angelegenheiten zur Seite steht. "In diesem Fall habe ich aber gedacht, ich schalte mal die Presse ein", sagt Bürger-de Castillo.

Familie Fawal kommt aus Syrien und ist seit zwei Jahren in Deutschland. Vieles haben Eltern und Kinder in dieser Zeit schon gelernt, andere Dinge noch nicht. Mit dem Deutsch hapert es noch ein wenig. Und dass man in manchen Fällen seinen Fahrausweis selbst entwerten muss, wussten sie auch nicht. "Das hat man ihnen halt nicht gesagt, weder in den Integrationskursen, noch am Schalter in Bünde", sagt Maria Bürger-de Castillo und zuckt mit den Schultern.

Zurück zum Tag der Reise: Als kurz vor Rheine die Fahrkarten kontrolliert wurden, fiel Familie Fawal aus allen Wolken. Ihre Papiere sollten sie zeigen, ihre Tickets seien ungültig, dreimal 60 Euro wegen Schwarzfahrens sollten sie zahlen, das Angst-Wort "Polizei" fiel. 

In Rheine auf dem Bahnsteig standen die Beamten denn auch schon und nahmen die Gruppe in Empfang. Und Familie Fawal wusste noch immer nicht so richtig, was sie überhaupt falsch gemacht hatte. Freundlich seien weder die Beamten noch die Kontrolleurin gewesen. Die Polizisten hätten sich mit dem Hinweis verabschiedet, dass bald Post von ihnen ins Haus flattern würde.

Familie Fawal - mittlerweile kennen alle drei das Wort "entwerten" - schaltete Helferin Maria Bürger-de Castillo ein. Die setzte am 14. Januar ein Schreiben an die "Westfalenbahn" auf und schilderte die Vorkommnisse. Auf die Antwort des Unternehmens wartet sie bis heute.

Stattdessen kam am 25. Januar - wie angekündigt - Post von der Polizei. Ein Brief für jedes Familienmitglied. Die drei sehen sich außerstande, einen solchen Anhörungsbogen auszufüllen, Bürger-de Castillo wird das übernehmen.

Aber dass es überhaupt soweit kommen muss, das kann die Lehrerin im Ruhestand nicht nachvollziehen. "Sowohl die Kontrolleurin als auch die Polizei hätten da doch mit einem gewissen Fingerspitzengefühl agieren können", findet die Bünderin.

´ Die NW hat gestern versucht, bei Polizei oder Westfalenbahn jemanden zu erreichen, der zu dem Fall etwas sagen kann - vergeblich.