Bünde (WB/hr) Der Lockdown schränkt das Leben aller ein. Abstand halten, Distanz wahren – das sind die Tugenden, die derzeit gepredigt werden. Welche Folgen es haben kann, wenn verordnete Distanz eine erfolgreiche Integration erschwert, erlebt Ute Fröhlich vom Verein International praktisch täglich. Seit der Gründung in den 80er Jahren bemüht sich der Verein, Mitgliedern und deren Familien, Flüchtlingen und Menschen mit Migrationshintergrund in Bünde bei persönlichen und sozialen Fragen und Problemen zur Seite zu stehen und sie beratend und praktisch zu unterstützen.
Zu den bekannteren Angeboten zählt das Café International im Bonhoeffer-Haus, aber auch Nachhilfeunterricht, eine Fahrradwerkstatt und nicht zuletzt die Hilfe beim Umgang mit Behörden und Ämtern. „Bis in den Spätsommer haben wir – natürlich unter Berücksichtigung der Schutzverordnung – unser Café International geöffnet gehabt“, sagt Fröhlich. Auch wenn es sich in erster Linie um ein geselliges Treffen handeln würde, hätte es doch eine wesentliche Funktion beim Erwerb der deutschen Sprache. Und darüber hinaus bestehe für die Besucher die Möglichkeit, Probleme, mit denen sie im deutschen Alltag konfrontiert würden, zu schildern. Das entfalle nun.
Vom Lockdown ebenfalls betroffen seien Sprachkurse, die unter anderem vom Verein International angeboten wurden. „Eine Folge ist, dass Flüchtlinge oder Migranten oftmals nur noch im eigenen sprachlichen Umfeld, beispielsweise in der Familie, sprechen – und dann in ihrer Muttersprache.“
So würden Defizite beim Lernen der deutschen Sprache entstehen. „Das geht ganz schnell, bei Kindern und Erwachsenen“, sagt Fröhlich. Durch den Lockdown sei der sprachliche Austausch, der direkte Kontakt stark reduziert worden. Fröhlich nennt das Beispiel eines jungen Afghanen, der die Abendrealschule Bielefeld besucht. Der Distanzunterricht bereite ihm große Schwierigkeiten. „Zum einen ist er nicht so firm in Sachen Internet, zum anderen fehlt ihm der Kontakt zu seinen deutschen Schulkameraden.“
Bis Ende 2020 habe der Verein noch Nachhilfeunterricht in Mathematik gegeben. „Das war Einzelunterricht. Wir sind aufgefordert worden, das einzustellen. Das werden die Schüler, die die Realschule oder das Gymnasium besuchen, ganz stark merken.“
Zu den wichtigsten Hilfen, die der Verein biete, gehöre die Beratung: „Das berührt nicht nur Fragen zur Krankenkasse, zum Jobcenter oder zum Ausfüllen von Formularen, sondern auch juristischen Aspekte wie die Duldung oder der Familiennachzug.“
Hier hätten sich durch Corona neue Probleme aufgetan. „Viele Institutionen, bei denen man Dinge schnell vor Ort lösen konnte, bieten aktuell nur telefonische Beratungstermine an.“ Der Lockdown habe gerade in dieser Hinsicht das Leben schwieriger und umständlicher gemacht. „Versuchen Sie derzeit doch einmal, ein Passfoto zu bekommen – praktisch ein Ding der Unmöglichkeit“, sagt Fröhlich.