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Für ein respektvolles Zusammenleben, NW 07.02.2019

Mein Verein: Seit fast 32 Jahren gibt es in Bünde den Verein International. Unter dem Prinzip „Hilfe zur
Selbsthilfe“ stehen die rund 60 Mitglieder Geflüchteten mit zahlreichen Angeboten zur Seite

Von Björn Kenter

Bünde. „Verein zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit – International Bünde e. V.“ – so lautet der offizielle vollständigeName eines Vereins, der in Bünde vielen Menschen unter dem Titel „Verein International“ bekannt ist. In den Anfängen nach der Gründung 1987 drehte sich das Wirken vor allem um Gastarbeiter aus dem Ausland. So trafen sich Türken, Kurden, Eritreer, Tamilen, Albaner und Roma unter dem Dach des Vereins. Auch die Alevitische Gemeinde in Bünde gründete sich 1993 mit Unterstützung des Vereins International.

Anfang der 90er Jahre sorgte der Krieg in Jugoslawien für eine erhöhte Anzahl an Geflüchteten, die in Deutschland Schutz suchten. „Das war eine sehr intensive Zeit“, erinnert sich der Vorsitzende Ulrich Papke. Zum Vorstand gehören außerdem der Stellvertretende Vorsitzende Sevket Gözlükaya und Schatzmeisterin Carola Austermann.
Seit dem Syrien-Konflikt konzentriert sich ein Großteil der Arbeit seit etwa vier Jahren auf die Hilfe für Geflüchtete. Zum Selbstverständnis gehört die Hilfe zur Selbsthilfe.
„Wir leisten logistische und materielle Unterstützung“, beschreibt Papke das Organisationsprinzip. Dazu gehören Begleitung bei Besuchen im Kindergarten, Hilfe bei Wohn- und Mietangelegenheiten sowie Info über das Bildungs- und Gesundheitswesen und einiges mehr.

Eine wichtige Rolle spielt die seit zwei Jahren laufende Fahrradwerkstatt, in der im Bonhoeffer-Haus mit Hilfe des ADFC gebrauchte Räder vermittelt und repariert werden.
„Wir haben einen Zweiradmechaniker, der auch komplizierte Schaltungen wieder hinbekommt und insgesamt bereits 160 Fahrräder ausgegeben“, verweist der Vorsitzende
auf eine starke Bilanz.

Bei den Sprachkursen habe es zuletzt einen Wandel gegeben. Wurde zu Beginn noch großen Wert auf die Ausgabe von Zertifikaten gelegt, sei das mittlerweile Sache der offiziellen Bildungsträger. „Wir haben teilweise Analphabeten hier, mit denen man anders umgehen muss, als beispielsweise mit Studenten aus Syrien“, sagt Protokollführer
Winfried Keller. Im Vordergrund stehe darum die Sprache als wichtiges Element, um sich im Alltag zurechtzufinden.

Seit einiger Zeit kommen auch ältere Menschen, die schon seit längerer Zeit in Bünde leben, zu den Kursen. „Sie sehen, dass ihre Kinde rund Enkelkinder Deutsch gelernt haben und sehen das als Anreiz, ebenfalls Deutsch zu lernen“, hat der Vorsitzende festgestellt.

Auch der Charakter des seit 2014 am Donnerstagnachmittag laufenden „Café International“, das inzwischen Sprachcafé heißt, habe sich verändert. „Zu Beginn war das eine Möglichkeit der Begegnung zwischen Bünder Bürgern und den Geflüchteten. Mittlerweile steht die Verbesserung der Sprache für den alltäglichen Gebrauch und somit auch den wichtigen Zugang zum Arbeitsmarkt im Fokus“, unterstreicht Papke und fügt an: „Das ist unglaublich wichtig für die Geflüchteten. Dabei steht nicht einmal zwingend das Geldverdienen an erster Stelle, sondern es dient ihrem Selbstwertgefühl. Sie möchten ein nützliches Mitglied dieser Gesellschaft sein.“

Als Mitglied des 1. Mai-Komitees betreibt der Verein International mit seinen Kooperationspartnern auch bildungspolitische Arbeit. Dazu zählen Veranstaltungen zu kritischen Themen wie Ditib, der Gülen-Bewegung, die politische Situation in der Türkei, aber auch zur Ausbildungsplatzsituation, dem Mindestlohn sowie dem Asylrecht und der Abschiebepraxis.

Noch bis 2021 steht dem Verein das Bonhoeffer-Haus für die Veranstaltungen zur Verfügung. Wie es danach weitergeht, ist derzeit noch offen. „Die Zusammenarbeit mit der Stadt Bünde ist aber trotz aller Konflikte sehr konstruktiv“, betont Ulrich Papke. Auch für die Menschen in Bünde hat der Vereinsvorsitzende ein großes Lob übrig: „Wie die Menschen hier sich in den letzten vier Jahren über alle Vorbehalte hinaus für andere Menschen eingesetzt haben, hat mich wirklich überrascht“, würdigt Papke das vielfältige Engagement. „Wenn sich Menschen aus unterschiedlichen Ländern begegnen, lösen sich Vorurteile meist ganz schnell auf.“ Da sind sich die Verantwortlichen sicher.

Wer sich die Arbeit des Vereins einmal näher anschauen will, ist eingeladen, am Donnerstagnachmittag zum Sprachcafé oder zu den 14-tägigen Treffen dienstags ab
19.30 Uhr ins Dietrich-Bonhoeffer-Haus zu kommen.

Kooperationspartner:
1. Mai-Komitee, Flüchtlingsbegleiterkreis, Initiative 9. November, Alevitische Gemeinde, Villa Kunterbunt, Netzwerkgruppe Gymnasium am Markt.
Auszeichnungen: Bundesverdienstkreuz 1997 für den langjährigen Vorsitzenden Heinz Schmidt;  Lesepreis der Neuen Westfälischen für das Projekt „Spielend lernen“ mit
Schülern des Gymnasiums am Markt (3.000 Euro) im November 2016;  Bürgerpreis der PSD-Bank für die Vermittlung von Medienkompetenz für Flüchtlinge (2.000 Euro), November 2017.

Kontakte:
Ulrich Papke, Tel. (05223) 1 72 84, werktags zwischen 8 und 9 Uhr;
Carola Austermann (Finanzen), Tel. (05223) 699294, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Ute Fröhlich, Tel. (05223) 3045, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!