Drucken

Mehr als ein Konzert, NW 07.04.2018

Benefiz-Veranstaltung: Fadi Youssef, Flüchtling aus Syrien, spielt demnächst Geige im Ergo Vivamus - zugunsten der Flüchtlingsarbeit im Verein International. Über die Musik als Therapieform für Künstler und Publikum

Von Maria Bürger de Castillo

Bünde. Viele sehen Flüchtlinge als Ursache so mancher Probleme an, die uns im Moment belasten. Bei einer Veranstaltung am Samstag, 21. April, 20 Uhr im Ergo Vivamus stellt sich der syrische Flüchtling Fadi Youssef als jemand vor, der eine Bereicherung ist. Als exemplarisches Beispiel dafür, dass die Flüchtlinge den Menschen hier mehr bieten können als das, was im Bewusstsein vieler beherrschend ist.

Begegnungen mit außergewöhnlichen Menschen sind gar nicht so selten, wenn man viel Kontakt mit Flüchtlingen hat. Man kann sich kaum vorstellen, dass auch Fadi Youssef erst vor knapp drei Jahren den Schrecken, die seine Heimat zerstörten und zerstören, entkommen ist. Man mag sich fragen: Inwieweit ist er noch innerlich beschäftigt mit den Themen von Krieg, Tod und Zerstörung? Gerettet hat er sich durch die Flucht nach Deutschland, er konnte in Bünde zuerst seinen Vater, dann auch Mutter und zwei Geschwister finden. Heilung sucht und findet er in seiner Musik. 

Sind wir darum häufig so abweisend gegenüber den Flüchtlingen, weil sie uns an das erinnern, was wir längst abgelegt zu haben glauben? Sie bringen Erfahrungen mit, wie sie unsere Vorfahren vor drei Generationen im Zweiten Weltkrieg und danach gemacht haben. Sie betreffen in unserer Gegend jede Familie. 

Vor drei Generationen gab es zwölf Millionen deutsche Vertriebene und Flüchtlinge. Wie gegenwärtig die Erinnerung daran ist, kann man manchmal unter Senioren erleben: Was war schlimmer, der Verlust von allem Besitz in Schlesien und die anschließende Flucht aus Schlesien oder die Angst in den im Bunker zugebrachten Bombennächten im Ruhrgebiet? Wir Jüngeren wollen weder an die Täter- noch an die Opferrollen unserer Großväter erinnert werden. 

Dann gibt es die Bürger, die sich um Flüchtlinge kümmern. Die ihnen helfen bei ersten Schritten, bei Behördengängen, beim Sich-Zurechtfinden in neuer Umgebung. Sie organisieren Deutschkurse und Möglichkeiten, Brücken zwischen Fremden und Einheimischen zu bauen.

Einen großen Anteil an dieser Arbeit hat in Bünde der Verein International auf sich genommen. Seit drei Jahren ist er in diesem Feld tätig, besonders durch das Café, das jeden Donnerstag von 14 - 17 Uhr zuerst in Ennigloh und jetzt im Bonhoeffer-Haus stattfindet. Überdurchschnittlich repräsentiert sind bei dieser Arbeit Menschen, die selber die Erfahrung von Flucht und Vertreibung als Kinder gemacht haben. 

Auch das Ergo Vivamus an der Mathilde-Mayer-Straße ist ein solcher Ort des Brückenbaus im Felde der Gesundheit im weitesten Sinne. Zahlreiche Kurse, die zu Bewegung und Tanz einladen, und kulturelle Angebote dienen häufig wohltätigen Zwecken. Am 21. April bietet es dem jungen Künstler Fadi Youssef den Raum, gemeinsam mit einem Freund am Klavier und auf der Geige zu improvisieren und auch ein Lied aus der Heimat zu singen. Der Eintritt ist frei, es wird um eine Spende zugunsten der Flüchtlingsarbeit im Verein International gebeten.

Die hoffentlich zahlreichen Besucher können sich von Fadi Youssefs Musik verzaubern lassen und spüren, wie seine Geige nicht nur frische Traumata bei ihm selbst heilen kann, sondern auch unsere eigenen uralten - wenn wir sie uns bewusst machen und den Raum der Heilung für sie öffnen. 

´ Maria Bürger de Castillo, Autorin dieses Textes, engagiert sich selbst sehr aktiv in der Flüchtlingshilfe.