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Integration zwischen Bedauern und Zuversicht, NW Bünde 18.11.2020

 

Die Fraktionen im Stadtrat wissen um die Spannungen im früheren Integrationsrat. Die Hoffnung liegt zum Teil auf dem neuen Ausschuss für Soziales und Integration. Für die UWG ist er ein „Papiertiger“

Von Gerald Dunkel

Der Integrationsrat hatte in Bünde keinen guten Stand. Wie berichtet, kam das Gremium, das sich politisch um die Angelegenheiten der in Bünde lebenden Migranten kümmern und sie vertreten sollte, mangels Freiwilligenmeldungen nicht mehr zustande. Von Beginn an gab es im Integrationsrat Misstöne. 

Der Integrationsrat bestand aus Ratsmitgliedern und Bürgern der Listen „Pro Integration“ und „International“. Einige protestierten, weil die Zahl der Ratsmitglieder darin höher war als die der Nicht-Ratsmitglieder. Eyüp Odabasi war der Vorsitzende des Gremiums und berichtete im Gespräch mit der Neuen Westfälischen Anfang November, dass ihm als damaliges Ratsmitglied der Grünen nahegelegt worden sei, das Ratsmandat niederzulegen. Ebenso Jana Nagel (CDU). „Es war für uns immer wichtig, überparteilich zu arbeiten“, sagte Odabasi.

Aber bedeutet das mangelnde Interesse vielleicht auch, dass die Migranten in Bünde zufrieden sind? Nun wurde der frühere Ausschuss für Generationen und Soziales umbenannten in den Ausschuss für Soziales und Integration. In den Ratsfraktionen herrscht Bedauern und Zuversicht. 

Stephanie Janßen-Rickmann, Fraktionssprecherin der Grünen in Bünde, glaubt nicht, „dass die Migrantinnen und Migranten aus Zufriedenheit mit Politik und der Verwaltung und ihren Lebensumständen nicht mehr angetreten sind. Die Arbeit im Integrationsrat ist zeitaufwendig und aufreibend. Dennoch konnten keine Beschlüsse gefasst, sondern nur Empfehlungen an den Rat gegeben werden. Wenn Erfolge ausbleiben, verlieren die Menschen das Interesse, sich zu beteiligen.“ 

»Man spricht über Migranten, aber nicht mit ihnen«

 Der Integrationsrat „war ein Ort, an dem die Bünder mit und ohne Migrationsgeschichte aktiv Demokratie erleben und daran teilhaben konnten“, so Janßen-Rickmann weiter. Den Ausschuss für Soziales und Integration sieht die Grünen-Sprecherin als ein Gremium, in dem „über Migranten gesprochen wird, aber nicht mit ihnen“. 

Martin Schuster (CDU) sieht die Integrationsarbeit vor allem auf ehrenamtlicher Basis auf einem guten Weg und sagt: „Aus meiner Sicht ist die Bildung eines eigenständigen Ausschusses nicht gleichzusetzen mit der Relevanz oder der Wertschätzung in jedem einzelnen Bereich. Eine hohe Anzahl von Ausschüssen steigert in der Regel nicht die Qualität der politischen Arbeit. Ich freue mich darüber, dass die integrative Arbeit in Bünde durch viele ehrenamtliche Einzelpersonen und Vereine – insbesondere aber durch die Stadtverwaltung – so hervorragend funktioniert. Natürlich müssen wir alle gemeinsam daran arbeiten, dass das auch so bleibt. Der Ausschuss für Soziales und Integration wird unter dem CDU-Vorsitz seinen Beitrag dazu leisten.“ 

Ernst Tilly (FDP) sieht die Integrationsarbeit der Verwaltung ebenfalls positiv. Dadurch habe sie zur Integration beigetragen und eine „Ghettobildung“ verhindert. Zum Integrationsrat sagt Tilly: „Der Integrationsrat hat sich schwerpunktmäßig mit kultureller Integration und Hilfen für Vereinigungen wie dem Verein International befasst. Dabei ging es nicht nur um Flüchtlinge, sondern um die Integration der Zugewanderten aus unterschiedlichen Kulturen.“ Das könne laut Tilly künftig auch vom Kulturausschuss gefördert werden. Integration hingegen sei auch im Jugendhilfeausschuss oder im Schulausschuss gut aufgehoben. Weiter erklärt Tilly: „Die Jugendaktivitäten zum Umwelt- und Klimaschutz sind mit Führungspersonen aus zugewanderten Familien ein Ansporn für uns alle. Die Parteien und Ratsfraktionen sind gut beraten, wenn sie sich weiterhin auch für Zugewanderte als aktive Mitglieder öffnen.“ 

Die UWG bedauert immer, wenn Teile der Bevölkerung sich nicht mehr aktiv beteiligen. Die Umbenennung des Ausschusses in Soziales und Integration sieht vielleicht auf dem Papier nett aus, bedeutet aber erstmal keine Stärkung für irgendwen“, so der UWG-Fraktionsvorsitzende Jörn Döring, der nicht weiter kommentieren möchte, dass der Integrationsrat nicht zustande gekommen ist. Die Umbenennung des Ausschusses sei aber nur „eine Willensbekundung von Politik und Verwaltung“. 

»Zufriedenheit dürfte kaum Ursache für Desinteresse sein«

 Andrea Kieper (SPD) sah es für den Integrationsrat immer als problematisch an, dass er „ohne eigenes Budget als Bittsteller an den Sozialausschuss herantreten musste“. Auch in der Umsetzung von Ideen sei er vom Sozialausschuss abhängig gewesen. Das habe nicht sehr motivierend gewirkt. „Dass Menschen mit Migrationshintergrund in Bünde mit der Politik, der Verwaltung und ihren Lebensumständen so zufrieden sind, dürfte daher eher nicht der Grund für ein mangelndes Interesse am Integrationsrat sein“, sagt Kieper auf NW-Nachfrage. Im neuen Ausschuss sehe sie gute Chancen, „dass die Interessen von Menschen mit Migrationshintergrund entsprechendes Gehör finden und gemeinsam mit ihnen erfolgreich Integrationspolitik gemacht werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es wünschenswert, Menschen mit Migrationshintergrund in die Arbeit des Ausschusses, etwa als sachkundige Einwohner oder auch als ordentliche Mitglieder, mit einzubeziehen“. 

Auch der Fraktion der Partei Die Linke sind die Spannungen im früheren Integrationsrat bekannt. Man sehe den neuen Ausschuss für Soziales und Integration positiv. „Für ausländische Mitbürger gibt es in Bünde leider noch einige Punkte, die optimiert werden müssen. Hier wurden uns aus der Vergangenheit beispielsweise die Abwicklung der Wahlen zum letzten Integrationsrat und die Problematik mit der Prüfung der doppelten Staatsbürgerschaft genannt, auch regelmäßige Probleme mit Anträgen wurden oft thematisiert“, erklärt Linken-Fraktionschef Thorsten Beuß. Er hat in der Vergangenheit aber auch Handlungsbedarf bei der Verwaltung gesehen: „Wir wünschen uns für die Migranten eine bessere Zusammenarbeit mit der Verwaltung und hier und da vielleicht mehr Fingerspitzengefühl, wenn etwas mal nicht so rund läuft.“ 

Die Fraktion der AfD hat sich nach mehrmaliger Anfrage der Redaktion nicht zum Thema geäußert.